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dialog

Dialog geht nicht von oben nach unten

seit den siebziger Jahren ...

Theater lebt in unserer traditionalen klassischen Form von der Trennung in Bühne als magischen Raum und (nur) zusehendes Publikum. Was oberhalb der Rampe passiert, ist vorbereitet, heiliges Ritual, dramatischer Bogen, darf nicht gestört werden. Das von oben Kommende ist heilig, das Publikum unten darf klatschen.

Bert Brecht versuchte, die emanzipatorischen Impulse seiner Zeit aufzugreifen und suchte nach Wegen, von dieser klassischen Form zu neuen, dialogischen Formen zu kommen. Bekannt wurde vor allem das Verfremden, statt gläubig-verzaubernde Inszenierungen auf die Bühne zu bringen, besser brüchige, in der Struktur und Machart durchsichtige Stücke, die die Zusehenden zur Auseinandersetzung anregen sollten.

Jahre später führten andere seine Versuche fort: Die manchmal fast schon verzweifelt wirkenden Kontaktversuche des action-theater z.B. bei Rainer Werner Fassbinder1 und seiner Gruppe, die nach einer Antigone-Inszenierung dann vor allem in Handke's Publikumsbeschimpfung das Publikum in den Stücken zu Reaktionen bringen sollten, achteten in ihrem jugendlichen Sendungsbewusstsein nicht so sehr auf das Macht-Gefälle, das über die Rampe kommt: Wer oben steht, hat Vorteile …

Die Inszenierungen der nordamerikanischen Gruppen der Off-Off-Broadway-Theater und ihre Inspiratoren aus der Beat-Generation wurden durch die Anti-Vietnam-Kriegs-Bewegung auch hier bekannt:

„Eine Demonstration ist eine Theaterveranstaltung. Der Lebensstil, die Energie und die Freude der Demonstration können zu einem beispielhaften Schauspiel gemacht werden: wie man Situationen von Angst oder Furcht oder Drohung handhabt.“ Allen Ginsberg2

1 Nach „Das ganz normale Chaos, Gespräche über Rainer Werner Fassbinder“, Hg. von Juliane Lorenz, Berlin 1995 2 in: Jens Heilmeyer, Pea Fröhlich: now, Theater der Erfahrung, Material zur neuen amerikanischen Theaterbewegung, Köln 1971

Dialog erfordert […] einen intensiven Glauben an den Menschen, einen Glauben an seine Macht, zu schaffen und neu zu schaffen, zu machen und neu zu machen, Glauben an seine Berufung, voller Mensch zu sein (was kein Privileg einer Elite ist, sondern das Geburtsrecht aller Menschen). Glaube an den Menschen heißt die apriori-Forderung für den Dialog.“

Paulo Freire: Pädagogik der Unterdrückten. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1973. S. 74

Die Verwandtschaft von Gestalt und Forum-Theater -

Theater der Unterdrückten und die Gestalt-Therapie

Theater für Dialog

Das Theater hat seit der griechischen Antike die Aufgabe, gesellschaftliche Fragen in die Mitte zu stellen und zu bearbeiten. Das unterhaltsame, aber oft nur wenig tiefgehende „schöne“ Theater der heutigen Stadt- und Staatsbühnen lässt uns entsprechend unzufrieden zurück, wenn es nicht die kritischen Themen der jetzigen Gesellschaft berührt.

Theater für ethische Dilemma

Gute Autoren haben immer die Tabus und heiklen Entwicklungen angesprochen, heute macht das schon fast das allgemeine Marketing: Geiz, Gier, Raff- und Schnäppchensucht, Doppelmoral, Religionsrechthaberei, Rüstungsgeschäfte …

Theater kann diese Situationen in die Geschichte eines persönlichen Dilemma bringen, in dem die Werte einer Person und ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit mit-spürbar und nachvollziehbar werden.

Im Forumtheater ist es besonders gut möglich, dass die Teilnehmenden eines Workshops in kurzer Zeit ihre eigenen Themen auf die Bühne bringen. In seiner Zeit suchte Brecht nach solchen Methoden, der Brasilianer Augusto Boal hatte in den sechziger Jahren die Möglichkeit, diese Arbeit in südamerikanischen Ländern aufzugreifen und fortzuführen.

ethischer Dialog

Eine Szene endet erst einmal so, wie sie als unzufrieden empfunden wurde. Joker / Spielleitende stellen den Dialog zwischen Theatergruppe und Publikum her: Habt ihr die Motivation verstanden, was an der Situation möchtet ihr ändern? Wer eine Idee hat oder die Situation erproben will, kann die Rolle der Person „unter Druck“ übernehmen und seine Lösung versuchen.

Kriterien der Kommunikation

In den Szenen stehen oft private Themen im Vordergrund, aber mit etwas System finden wir schnell die Tabus dahinter, die Ängste und Begrenzungen, darüber frei zu kommunizieren. Maslow hatte ein System der Bedürfnisse, eine Pyramide, entworfen, um darzustellen, worum es uns zuerst geht: Nahrung und Kleidung, Überleben der Familie, der Firma, der Gesellschaft, dann kommen Gefühle wie Gerechtigkeit und die Situation der Welt.

In der professionellen Welt sind die Tabus enger angelegt: Die Frage, wie und zu welchen Themen in einer Firma kommuniziert wird, und welche Verantwortung das Management tasächlich übernimmt, lässt sich an ausgefeilteren Kriterien selbst untersuchen: http://www.business-in-resonanz.de und http://www.valucentre.com

Wahrheit und Wissenschaft gehen nur im Dialog

Reden über Wahrheit und Wahrheiten, kann aber nicht den Schritt zum Dialog, bleibt bei Schuldigen und Verantwortlichen, wie im Postfaschismus der 1950er und 1960er Jahre: „Der Führer war's, wir mussten ja gehorchen!“

„Hört auf die Wissenschaftler“ - ja, aber welche? Und wenn sie nicht auf den gleichen Grundlagen argumentieren?

Auszüge aus dem Artikel „Die Verwandtschaft von Gestalt und ForumTheater - Theater der Unterdrückten und die GestaltTherapie

erschienen in: Helmut Wiegand (Hg): Theater im Dialog: heiter, aufmüpfig und demokratisch Deutsche und europäische Anwendungen des Theater der Unterdrückten https://fritz-letsch.blogspot.com/2021/09/verwandtschaft-von-gestalt-und.html

Dialogische Intelligenz

Pioneers of Change, Hartkemeyer - Sternstunden Dialogischer Intelligenz

Therapie und Weltbezug und die GestaltArbeit in Gruppen - eine comedy der politischen bildung und Theater im Dialog - spielend lernen

Kritische Demokratie?

dialog.txt · Zuletzt geändert: 2023/03/25 10:12 von fritz