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emil_julius_gumbel

Vier Jahre politischer Mord

Der Mathematiker und Statistiker Emil_Julius_Gumbel veröffentlicht 1922 ein Werk, das die junge Republik wie eine Bombe trifft. Er weist in seinem akribisch recherchierten Werk 380 politisch motivierte Feme-Morde seit dem Ende des 1. Weltkrieges nach. Dabei stellt er fest: Von den 358 Morden rechtsextremer Attentäter*innen werden viele nicht geklärt.

Im Schnitt erhielten die Mörder Haftstrafen von vier Monaten. Wer aus «linker Gesinnung» gemordet hatte, wurde in zehn von 22 Fällen zum Tode verurteilt, der Rest waren lebenslange Haftstrafen. Diese Zahlen wurden vom Innenminister bestätigt.

Gumbels Recherche zeigte auf, wie einseitig das Weimarer Deutschland von Reaktionären und Völkischdenkenden geprägt war. Die SPD paktierte von Beginn an lieber mit Monarchisten, Konservativen und völkischen Kräften, als sich mit Sozialist*innen für eine Rätedemokratie einzusetzen.

Sie ist massgeblich für dutzende Massaker an Arbeitenden und zehntausende Tote verantwortlich: Innenminister Noske ordnete den Tod Luxemburgs und Liebknechts persönlich an. Was in Berlin geschehen, zog sich in München im Mai 1919 weiter. Nur mit Glück und dank wichtigen Fürsprechern entkamen Mühsam und die Pazifisten Toller und Gesell mit Festungshaft, statt dem Tode davon.

https://de.wikipedia.org/wiki/Emil_Julius_Gumbel (Auszüge)

„Insbesondere für die mehr und mehr vom nationalsozialistischen Studentenbund dominierte Studentenschaft war Gumbel ein rotes Tuch. Dabei spielte auch eine Rolle, dass Gumbel Jude war. Zur Jahreswende 1930/31 kam es im Anschluss an seine Ernennung zum außerordentlichen Professor und der vom Kultusminister verfügten Auflösung des nationalsozialistischen Allgemeinen Studentenausschusses bei den „Gumbelkrawallen“ zu einer studentischen Besetzung und polizeilichen Räumung der Universität.

Als Gumbel auf einer internen Sitzung der Heidelberger Sozialistischen Studentenschaft in Erinnerung an die Hungertoten des Kohlrübenwinters 1916/17 davon sprach, dass eine Kohlrübe sich besser als Kriegerdenkmal eigne als eine leichtbekleidete Jungfrau, entzog ihm am 6. August 1932 der Kultusminister Eugen Baumgartner (Zentrumspartei) die Lehrberechtigungen.[6] Im Juni 1932 gehörte Gumbel zu den Unterzeichnern des Dringenden Appells des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes.

Zur Zeit der NS-Machtübernahme im Januar 1933 war Gumbel schon in Paris, wo er seit Juli 1932 Gastvorlesungen an der Sorbonne hielt. Während in Heidelberg seine Wohnung geplündert und seine Schriften verbrannt wurden, engagierte er sich von Frankreich aus publizistisch gegen den Nationalsozialismus in Deutschland und unterstützte aus Deutschland nachkommende Emigranten.

Im August 1933 wurde ihm im Rahmen der Ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt.[7] 1934 siedelte er nach Lyon über und arbeitete an der Universität. 1939 erhielten er und seine Familie die französische Staatsbürgerschaft.[5]

Zu seinem großen Thema wurden die zahlreichen politischen Morde

in den Wirren der Nachkriegszeit seit der Novemberrevolution. Als Statistiker ließ Emil_Julius_Gumbel dabei die Zahlen für sich sprechen. In zwei Publikationen wies er nach, dass die Zahl der Morde aus dem rechten Spektrum deutlich überwog – so konnte er aufzeigen, dass im Zeitraum 1919 bis 1922 von 376 politisch motivierten Morden 354 dem rechten Spektrum zuzuordnen waren, lediglich 22 dem linken.[6]

Die Einäugigkeit der Justiz in der Weimarer Republik, die er aufzeigte, war dabei frappierend: Die Mörder aus dem linken Lager wurden mit äußerster Strenge behandelt, es kam zu zehn Hinrichtungen auf 22 Morde.

Mörder aus dem rechten Lager wurden dagegen mit großer Nachsicht behandelt: Bei 354 Morden kam es zu einer einzigen lebenslangen Strafe, keiner einzigen Hinrichtung und insgesamt 90 Jahren Haft – im Durchschnitt vier Monate Haft pro Mord.

Viele Morde von rechts blieben dabei gänzlich ungesühnt. Seine Publikationen erreichten ziemlich hohe Auflagen und führten sogar zu einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Preußischen Landtag, nachdem die Ergebnisse von Gumbels Buch Vier Jahre politischer Mord in einer vom Reichsjustizminister Gustav Radbruch in Auftrag gegebenen Studie bestätigt wurden.“

emil_julius_gumbel.txt · Zuletzt geändert: 2021/04/10 21:20 von fritz