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max_spohr

Das Bild auf der Seite http://raete-muenchen.de/150-jahre-gustav-landauer oben ist von einem Ausflug der Friedrichshagener Künstlergruppe im Osten Berlins, einer Haltestelle der Schlesischen Eisenbahn, wo es auch ein wunderbares kleines Antiquariat mit Ausstellung gibt: Eine Keimzelle für Gemeinschaftsgedanken und um die Freie Volksbühne damals, mit Malern wie Fidus, Verlegern wie Max Spohr, Forschern wie Magnus Hirschfeld und Friedensbewegten wie Bertha von Suttner

Antiquariat Brandel und Museum Friedrichshagener Dichterkreis https://brandel-antiquariat.de

Am 6.4.1919 war Erich Mühsam 41 Jahre alt geworden, am nächsten Tag konnte er Gustav Landauer zum 49. Geburtstag gratulieren: Die ersten Tage der Räterepublik Baiern, geschrieben wie in der Zeit vor Einfügung des königlich als edler befundenen „y“:

Der 7.4. war 1919 in Baiern ein Nationalfeiertag, der Beginn der Zweiten Räterepublik. in dem er eine Woche lang nach seinem 49. Geburtstag als der Beauftragte für Kultur auch seine Ideen der Hochschulreform angehen wollte - die Hochschulen waren damals ein männlich-reaktionärer Laden wie in Bayern noch heute …

wikipedia.org/wiki/Max_Spohr (Auszüge)

Max Spohr war also als Verleger homosexueller Schriften einschlägig bekannt, als sich Magnus Hirschfeld nach Ablehnung mehrerer Verlage an ihn wandte um seine Kampfschrift Sappho und Sokrates herauszubringen. Sie erschien 1896 als einziges Buch Hirschfelds unter einem Pseudonym (Th. Ramien).

Kurze Zeit später traf Spohr Hirschfeld persönlich und es begann eine enge Zusammenarbeit. Auf der Reise zu Spohr schrieb Hirschfeld gerade an seiner Reichstag-Petition. Dieser unterstützte ihn dann dabei und bemühte sich um angesehene Unterzeichner.

Spohr machte Hirschfeld auch mit Eduard Oberg bekannt und zusammen mit Franz Joseph von Bülow gründeten sie in Berlin am 15. Mai 1897 das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee (WhK), die weltweit erste Organisation für die Rechte Homosexueller. Auch das später gegründete Leipziger Subkomitee des WhK leitete Spohr.

Von 1899 bis 1922 erschienen im Verlag das Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen und Separatdrucke daraus, welche ein finanzieller Verlust waren. Nach der dritten Ausgabe wurde dies in der Monatsschrift zur Sprache gebracht. Von den 2000 gedruckten Exemplaren wurden zirka hundert abgesetzt und davon noch die meisten an Mitglieder der WhK zum halben Preis.

Dies unter anderem zeigt das persönliche Engagement Spohrs und entkräftet den manchmal geäußerten Vorwurf sich nur aus starkem Geschäftssinn für das Thema einzusetzen. Auch um Bewilligungen für Veranstaltungen des WhK und andere Angelegenheiten bemühte sich Spohr. Andere Verlage brachten maximal 8 Bücher zu diesem Themenkreis heraus und deuteten das Thema Homosexualität auch oft nur an.

Bei Spohr erschienen hingegen über 120 Publikationen (exklusive der Jahrbücher) nicht nur im hochwissenschaftlichen Stil, sondern auch populärwissenschaftliche und belletristische Werke. Auch lesbische Liebe wurde immer wieder, wenn auch seltener, zum Thema gemacht.

Das Engagement für die Aufklärung blieb aufgrund der damals geltenden Zensurgesetze nicht ohne Folgen. Er wurde denunziert, wiederholt vor Gericht gestellt und auch verurteilt, jeweils nach dem § 184 RStGB (Verbreitung unzüchtiger Schriften), welcher 1900 noch verschärft wurde.

Bei den wissenschaftlichen Werken traf es vor allem Schriften über Sexualaufklärung, insbesondere rund um die Empfängnisverhütung. Unter den belletristischen Texten hingegen, darunter mehrere authentisch anmutende Romane über individuelle urnische Lebensschicksale, wurde beim Thema Homosexualität gezeigt wo die Grenzen des Schreibens darüber lagen. Auch konnte bei Büchern für die gehobene Schicht weiter gegangen werden als bei Büchern für das gemeine Volk. Stolz erklärte er:

  „Ich brauche wohl nicht hervorzuheben, daß durch meinen Verlag noch nie 
  ein unsittliches Werk Verbreitung fand, auch wenn ich den Mut besitze, 
  Schriften zu veröffentlichen, die, wenn sie auch heikle Gegenstände berühren, 
  lediglich der Menschheit zum Segen dienen.“

– Max Spohr: in Mark Lehmstedt: Bücher für das „dritte Geschlecht“ …[2]

https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Spohr

max_spohr.txt · Zuletzt geändert: 2021/04/11 00:01 von fritz