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Rainbow-Techniken im Theater der Unterdrückten:

„Nach mehr als 30-jähriger Praxis des „Theater der Unterdrückten“, das in zahlreichen Ländern erprobt wurde, gilt sein Begründer Augusto Boal heute als der international bedeutendste Theaterpädagoge unserer Zeit. Sein grundsätzliches Theaterverständnis, seine frühen Methoden des „Statuen-“, „Zeitungs-“, „Forum-“ und “Unsichtbaren Theaters„ sowie die neueren Techniken, die in diesem Buch vorgestellt werden, haben immer noch einen nachhaltigen Einfluss auf die europäische Theaterpädagogik.“

Buch-Einleitung Augusto Boal: Regenbogen der Wünsche (2006) https://www.schibri.de/978-3-937895-18-5/der-regenbogen-der-wuensche?number=978-3-937895-18-5

Sein Buch zum Legislativen Theater ist noch nicht in deutsch erschienen, meine Erfahrungen dazu folgen unten, weitere Gedanken zum Theater im Dialog.

Rainbow-Techniken im Theater der Unterdrückten

„Bei den auslotenden Methoden ragen insbesondere die Techniken ,Bild und Gegenbild‘, ,Kaleidoskopbild‘ und ,Rashomon‘ heraus. Allen drei Übungsformen ist gemeinsam, dass sie die Perspektive des Protagonisten durch die Assoziationen, Visionen und Aktionen der übrigen ZuschauSpieler erweitern wollen. … Bei der Übung ,Regenbogen der Wünsche‘, die der Sammlung an neuen Übungen auch den übergeordneten Namen gab, hat der Protagonist die Möglichkeit, seine diffusen Emotionen und Bedürfnisse zu ordnen. Dabei soll er mit Hilfe seiner Mitspieler – im Hinblick auf den zur Debatte stehenden Konflikt – das Spektrum seiner (zum Teil konfligierenden) Wünsche ausloten sowie sein zentrales Interesse erkunden.

Dieser Klärungsprozess soll bewusstere und gezieltere Handlungsweisen ermöglichen, die im Rahmen erneuter → Improvisationen erprobt werden können. JÜRGEN WEINTZ im Wörterbuch der Theaterpädagogik http://www.archiv-datp.de/worterbuch-regenbogen-der-wunsche/ siehe auch Regenbogen der Wünsche

Fragestellungen zur antirassistischen Bildungsarbeit

https://kritische-praxis.blogspot.com/2021/02/rainbow-techniken-im-theater-der.html

fritz letsch theaterpädagoge, zukunftswerkstatt- moderator, Beitrag zu einer Mappe des BGB-BW

Rainbow of Desire

Nach den langen Jahren der Fortbildung von Theaterleuten und politisch Denkenden kamen in den europäischen Situationen auch für Augusto Boal immer mehr die Fragestellungen nach psychischen Hintergründen der Unterdrückung ins Spiel, nachdem zwar die äußerliche Gewalt in den europäischen Ländern in den achtziger Jahren kaum mehr sichtbar, die inneren Gewaltverhältnisse aber unübersehbar wurden.

Nicht nur die für ihn unvorstellbaren Selbstmordraten, sondern auch regelmäßige Bilder zwischenmenschlicher Kälte und gesellschaftlicher Distanz bereiteten ihm Probleme, aus seinem eigenen Erleben (auch hoher Anerkennung und freundschaftlicher Nähe in unseren Ländern) zu verstehen, wie unsere Lebenssituationen zu verändern sind.

Mit den Rainbow-Techniken sammelte er jene introspektiven und prospektiven Methoden, die sich im Lauf der Zeit für die Bearbeitung der persönlichen Situationen als hilfreich erwiesen hatten. Dazu kam auch ein Austausch mit der Witwe Moreno`s über die Ziele und Variationen des Soziodramas, das mehr als die psychodramatisch-therapeutische Denkweise auch die gesellschaftlichen und politischen Bereiche bearbeiten sollte.(1

Die Zusammenstellung im Rootledge-Verlag ist bisher nur in Englisch erschienen, aber in Deutsch in Lingen erschienen:

Rainbow-Techniken in anderen Ländern

Das 8. internationale Festival des Theater der Unterdrückten in Toronto brachte einige interessante Vorstellungen neuerer, vor allem für öffentliche Aufführungen verkürzter Arbeitsweisen mit den Techniken, die Augusto selbst und David Diamond aus Canada präsentierten2.

Dabei ging es jeweils um die Vorstellung eines Problems durch jemand aus dem Publikum3, das mit einer Antagonistin4 in einer kurzen exemplarischen Situation durchgespielt wird. Das Publikum wird daraufhin eingeladen, je fünf übertriebene Karikaturen von einzelnen charakteristischen Anteilen der beiden in je einer Statue vorzustellen und mit wenigen Sätzen anzuspielen.

1 Dieser Austausch könnte für die Praxisreflexion und eigene Verarbeitung therapeutisch arbeitender Menschen sehr spannend sein, weil eine fortwährende Beschäftigung mit Erziehungsschäden nicht verantwortlich geschehen kann, ohne die Quellen und Ursachen zu verändern.

2 Ich schildere in der Folge nur Augusto`s Vorstellung, weil ich David`s „Rainbow-Cabaret“ nur in Teilen gesehen und die Unterschiede mit ihm nicht besprochen habe.

3 Die Leute in Toronto rissen sich darum, ihr Thema auf der Bühne vorzutragen, und waren bitter enttäuscht, wenn das Publikum auf Augusto`s Frage nicht ihre Probleme auswählte.

4 GegenspielerIn, die den Part als Konfliktpartner nach Anweisung übernimmt, vielleicht sogar die Rolle und Interessen kennt und von daher spielen kann. Auf Befragung wählt der Spielleiter diese aus den Vorschlägen der Zusehenden mit diesen aus. Das Publikum wird wiederum befragt, welche dieser Charakterbilder einander entsprechen und soll diese jeweils zu einem Spielpaar kombinieren. Diese stellen jetzt ihre Version des Konfliktes aus ihrer Verhaltensvariante vor, was jeweils heftige Heiterkeit in die Problematik bringt. Abschließend wird die Protagonistin5 befragt, was sie von den einzelnen gespielten Eigenschaften hält.

Für die letzte Runde wird nun die Protagonistin zusammen mit der Antagonistin gebeten, ihr Original zu spielen, während die im Hintergrund stehenden Karikaturen aufgefordert werden, jeweils mit einem Alarmlaut zu reagieren, wenn sie Anteile ihrer eigenen Spielart bei den beiden KonfliktpartnerInnen sehen. Eine heiße Diskussion unter den Spielenden ist meist das Ende des Abends, im Publikum bleibt der Eindruck eines sehr persönlichen und doch allgemeingültigen Erlebnisses, das immer in irgend einer Weise auf eigenes Verhalten und eigene Situationen übertragbar ist.

Unter den KollegInnen gab es großes Interesse, aber noch wenig Austausch, weil anscheinend nur David Diamond mit seinem Ansatz „Theater for living“ in dieser Richtung gearbeitet hat. Regenbogen in Deutschland?

Da sich die Theaterpädagogik in den letzten Jahren unter Zeitdruck oder Geldmangel zu eher kürzeren Projekten verleiten ließ, haben wir hierzulande bisher keinen Austausch zu dieser Methode entwickelt. Ich halte die Übertragbarkeit auch nicht für problemlos: Zum Einen rechnen alle meine bisherigen Veranstalter schon bei einem simplen Forum-Theater nicht so recht mit Publikumsbeteiligung, zum anderen sind wir mit diesen Arbeitsweisen noch näher an us- therapeutischen Situationen, wie ich sie von der Richtung her nicht suche.

Legislatives Theater

Meine Faszination für Legislatives Theater fand in den letzten Jahren vor allem die Arbeit Augusto`s im Stadtparlament von Rio de Janeiro. So, wie er über die Frage der Finanzierung der Theaterarbeit in den Wahlkampf und in seinem Mandat in die Verantwortung für den politischen Dialog geraten war, stellen sich für mich die Themen auch hierzulande:

Auch wenn wir wenig gelernt haben, die politische Verantwortung direkt zu übernehmen, kann die Diskussion unserer Belange und unserer Verhaltensweisen doch qualifizierter werden, indem wir Bilder der Situationen austauschen und uns nicht von SCHLAGworten die Diskussionen fader Pro- und Kontra-Parteipolitiker verblöden lassen.

Zum Bereich antirassistischer Arbeit

hatte Annita Kalpaka sicher die fundiertesten Beiträge verfasst, die ich aus dem Spektrum sozialer politischer Theaterarbeit kenne. In konsequenter Anwendung und Weiterentwicklung der Forum-Techniken arbeitet sie6 Anteile der Teilnehmenden an Opfer- und Täter-Identifikationen durch ein ausführliches Rollenfeedback heraus.

Dazu kombiniert sie einen Theorie-Teil nach zwei bis drei Wochen mit der gleichen Gruppe, in dem sie mit den Teilnehmenden sowohl deren Reflexionen der Zwischenzeit als auch Videoaufzeichnungen und eigene Thesen bearbeitet. Ihre Beschreibungen aus pädagogisch-sozialwissenschaftlicher Sicht reflektieren auch die eigene politische Situation sehr genau.

Erfahrungen beim DGB in Thüringen

Baustein-Ordner antirassistischer Bildungsarbeit

Eine Projektgruppe hat verschiedene Materialien einer offenen, Ziel-Methoden-identischen antirassistischen Bildungsarbeit zusammengestellt, der Ordner ist beim DGB-BWT zu bestellen. Kosten: Ein Seminar zu antirassistischer Bildungsarbeit

Im Juni `98 in dem traumhaft gelegenen Haus Sonneck über dem Zusammenfluss von Unstrut und Saale gegenüber Naumburg gelegen, kamen wir bei strömendem Regen an und bekamen doch zwei strahlende Sonnentage, die uns die Beschäftigung mit „schweren Themen“ erleichterten. Dabei ging nicht alles so leicht „über die Bühne“, wie es manchmal in de Geschwindigkeit schien, und viele intensive einzelne Gespräche räumten aufgewühlte Gefühle wieder in den richtigen Zusammenhang.

Dass Rassismus auch in den (verletzten) Gefühlen zwischen Thüringern und Sachsen beginnen kann, wann Witze auf Kosten anderer statt auf eigene Einsicht und tatsächlichen Humor, wie zu Widerstand gegen Übergriffe ermutigt wird … ein weites Feld und intensive Beschäftigung.

Auch die Differenzierung in familiäre, identitäts-abgrenzende und beziehungs-abhängige Aussagen war mit einzelnen Theatermethoden möglich, die wir an diesem Wochenende kennenlernten und zum Teil sogar bis zum eigenen Einsatz in Seminaren weiterdachten.

Dazu braucht es natürlich noch mehr Sicherheiten und erste Proben, um nicht mit den neuen Methoden das Publikum zu verwirren:

Wie klar ist meine Anleitung, meine jeweilige Handlungsanweisung in wenigen Sätzen, wie deutlich ist mein eigenes Bild vom Ergebnis und dem Ziel des Versuches,7 wie möchte ich die Ergebnisse mit den Teilnehmenden festhalten?

Statuen:

Themen:

  • Blondinen-Witze und die verschiedenen Humor-Kulturen:
  • Die-da-Witze, Wir-Witze, Geschmacklosigkeit und Verletzung

Szenen:

  • Taxifahrer, Farbiger und Beobachter
  • Arbeitsamt und Bauunternehmer
  • Der Sohn ändert sich bei der Bundeswehr, Politik und Identität
  • Polizei-Übergriffe in Saalfeld: Diskussion Demonstrationsrecht
  • Abmahnung und Betriebsratsgründung

Zwischenrunde:

  • wie in der Bildungsarbeit auf rassistische Themen reagieren
  • mit Jugendlichen Wirtschaftsthemen bearbeiten
  • Spannung Individuum - Gruppe, an der Grenze arbeiten
  • für strukturelle Unterdrückung sensibilisieren

Abendszenen:

  • Im Seminar distanzieren sich Thüringer von den Sachsen (Witz)
  • In der Straßenbahn: Besoffene Fußballfans treffen auf Russen

Unerledigt war:

  • Definitionen Rassismus
  • Umgang mit diskriminierenden Witzen
  • Theatermethoden im Seminarkonzept
  • Grenzen der Methodik
  • Grenzpunkte unserer Seminarleitung
  • Deutschland! Deutschland! - Geschrei nach Fußball
  • Reaktionen auf verletzenden Blondinenwitz
  • Im Gespräch: Missgeburt?! Stop, das verletzt mich …
  • - Der Punkt, zu reagieren
  • - Der Punkt, vorbereitet zu sein
  • - Methodiken und Werkstattarbeit
  • - Auseinandersetzung zum Wert des Menschen

Seminarkonzepte zu neuer vorbereiteter Arbeitsweise: (Einladung vorbereiten, Begrüßung spielen)

Modelle

  • Laufend muss man hier die Gefühle wechseln
  • Fortbildungsreihe zur Theaterpädagogik
  • Diskriminierung und Rassismus
  • Unterdrückung und Perspektiven-Entwicklung

Materialien für die Mappe des DGB-BWT:

Literatur (im Artikel von Annita)

  • Bosselmann, R./Lüffe-Leonhartd,E./Gellert, M.: Variationen des Psychodramas, Kiel 1993
  • Heppekausen
  • Holzkamp
  • Kalpaka
  • Martens
  • Moreno
  zuerst weiß niemand etwas.
  
  die schauspieler
  wissen nicht viel,
  aber der, der sie unterrichtet,
  darf gar nichts wissen,
  und muß erst
  während des unterrichts
  alles lernen
  über sich und seine kunst.
  
  das wird für sie eine entdeckung sein,
  und auch für ihn.

jean genet - briefe an roger blin - fritz letsch

1 Dieser Austausch könnte für die Praxisreflexion und eigene Verarbeitung therapeutisch arbeitender Menschen sehr spannend sein, weil eine fortwährende Beschäftigung mit Erziehungsschäden nicht verantwortlich geschehen kann, ohne die Quellen und Ursachen zu verändern.

2 Ich schildere in der Folge nur Augusto`s Vorstellung, weil ich David`s „Rainbow-Cabaret“ nur in Teilen gesehen und die Unterschiede mit ihm nicht besprochen habe.

3 Die Leute in Toronto rissen sich darum, ihr Thema auf der Bühne vorzutragen, und waren bitter enttäuscht, wenn das Publikum auf Augusto`s Frage nicht ihre Probleme auswählte.

4 GegenspielerIn, die den Part als Konfliktpartner nach Anweisung übernimmt, vielleicht sogar die Rolle und Interessen kennt und von daher spielen kann.

5 Die problem-vorstellende Person

6 mit ihrer KollegIn Jutta Heppekausen, ausführlich geschildert in: Siegried Jäger (Hg): Aus der Werkstatt-Anti-rassistische Praxen, Konzepte, Erfahrungen, Forschung, Duisburg 1994, S. 104-133

7 am Besten die ersten Anleitungen zuerst tatsächlich in genauen Sätzen aufschreiben und mit den anderen TeamerInnen richtig durchspielen

rainbow_of_desire.txt · Zuletzt geändert: 2022/09/14 11:47 von lenni