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der entwicklungsdienst theater- methoden in der Paulo Freire Gesellschaft damals e.V. in München, mit freundlicher Unterstützung des FachForum Eine Welt in der Münchner Agenda 21, eine dann städtisch unterstützte Initiative

Öffentliche Expertenanhörung: Flüchtlinge aushungern?

mit Bildern: https://xrebellmuc.blogspot.com/2020/12/sollen-wir-die-fluchtlinge-aushungern.html Konzeptheft, Pressetexte auf Chamber in the street

27. April 1998 17 -19 Uhr in München, Marienplatz

Am Podium:

ExpertInnen aus der Flüchtlingsbetreuung, aus der Rechtsberatung, Kirchen und Verbänden, Mitarbeitenden des Münchner und Bayrischen Flüchtlingsrates

Im Publikum:

PolitikerInnen, Parteien und Betroffene, PassantInnen, NachbarInnen und Sie

Politischer Hintergrund:

Die Bundes- und Länderregierungen wollen in einer sehr stillen Aktion über Bundesrat und Bundestag (ja, verkehrt herum!) in Mitwirkung der SPD die Sozialhilfe für gemeldete (!) Flüchtlinge und Asylbewerber nun ganz streichen. Die Kürzung um 20% des zum Lebensunterhalt dringend benötigten hatte zu wenige Proteste zur Folge ….

Sollen wir die Flüchtlinge aushungern lassen?

Informieren Sie sich - reden Sie mit - nicht erst bei der Wahl. Eine Initiative der Arbeitsgemeinschaft Migrationspolitik München, mit Unterstützung des Münchner Flüchtlingsrates und in Zusammenarbeit mit [über die grenze] und dem entwicklungsdienst theater- methoden in der Paulo-Freire-Gesellschaft e.V., mit freundlicher Unterstützung des FachForum Eine Welt in der Münchner Agenda 21

Entwurf Set

Tisch in der Mitte, Tischtuch, Mineralwasser und Gläser, Blumen­gestecke, 2 Tischmikrofone. Auf Bänken oder Stühlen darum (mit wind-sicheren großen Tischkarten): ExpertInnen der Flüchtlingsarbeit, der Rechtsberatung und der Verwaltung.

Aussen eventuell Biertische und Bänke für ein spezielles Publikum aus PolitikerInnen, TED und Materialien auf einem Tisch seitlich.

Da viele der „Rollen“ in der Kürze der Zeit nicht mit Zustimmung der Ver­antwort­lichen besetzt werden können, werden MitarbeiterInnen virtueller Einrichtungen mit ähnlichen Bezeichnungen die fehlenden Akteure vertreten.

Entwurf Script

Nach einer kurzen Einführung zum Thema und zur Methode des Legislativen Theaters werden die Podiums-ExpertInnen mit ihren Themen-Schwerpunkten vorgestellt, bzw. stellen sich selbst mit einigen Sätzen vor. Publikums-Anwalt wird dabei ein nicht sitzender „Joker“ zwischen Podium und Publikum sein, mit Funk-Ansteck-Mikrofon auch zur Aufnahme von Publikums-Fragen.

Publikums-Beteiligung durch TED und Abstimmungs-Modi, evtl. als anzukreuzende Meinungsbilder oder auszufüllende Appelle an die verschiedenen Politiker

Gegen Ende und im Abschluß soll eine aktivierende Stimmung zu eigener demokratischer Mitwirkung in Verbänden und Initiativen vorherrschen.

Entwurf Rollen und Inhalte

  • Die Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft Migrationspolitik München moderiert als politischer Veranstalter das Podium.
  • Ein Referent des Gesundheitsministeriums wird zwischen Spar-Druck und öffentlicher Meinung die Gesetzesinitiative begründen.
  • Eine Ärztin bringt die gesundheitlichen Fragestellungen der Flüchtlingsarbeit zur Sprache.
  • Die Rechtsberatung kann Problematiken der Unterscheidung, der Meinungs­mache und das Ausgeliefert-Sein der MandantInnen verdeutlichen.
  • Eine Flüchtlings-Betreuerin stellt typisierte Einzelfälle nach Ländern, Ver­folgung und Lebenssituationen (Familien/ Einzelne / Jugendliche) dar
  • Ein Vertreter der Gewerkschaft der Exekutive skizziert die neue Problematik der Ablehnung, Entscheidungs-Spielräume und Rechtswidersprüche und bringt persönliche Belastung durch eine politische Problematik und dadurch entstehende Fehler seiner KollegInnen ein.
  • Der Sprecher der Wohlfahrt soll die Spannungsfelder zwischen Moral und sozialem Feld sowie steigender Profitorientierung benennen
  • Eine Pfarrerin stellt die Haltung der Kirchen zum Gesetzesentwurf klar.

Der Theater-Hintergrund

Augusto Boal: Boal begann seine Laufbahn als Theaterleiter 1956 und entwickelte seitdem seine innovativen, kreativen und erfinderischen Fähigkeiten in Zusammenarbeit mit vielen Gruppen und Personen. Seine gegenwärtigen Projekte sind aus der gleichen imaginativen und inspirativen Energie geboren, mit der er auch das Teatro de Arena in Sao Paulo leitete.

Dort baute er ein Seminar für Dramaturgie und ein Laboratorium der Interpretation auf, die neue Theater-Talente zum Vorschein brachten und die Konzepte des brasilianischen Theaters dieser Zeit transformierten.

1971 wurde Boal für seine Herausforderungen der Militärdiktatur durch sein revolutionäres Theater exiliert. Er arbeitete in Peru in einem Alfabetisierungprojekt, das die Pädagogik der Unterdrückten von Paulo Freire1 benutzte.

In Argentinien schrieb er Bücher, gab Unterricht, produzierte Stücke und setzte die Entwicklung des Theater der Unterdrückten fort. Während der 70er Jahre arbeitete er in den meisten lateinamerikanischen Ländern, aber die Diktaturen, die sich über den Kontinent ausbreiteten, zwangen ihn, sich nach demokratischen Ländern umzusehen.

Er ging 1976 nach Europa, zuerst nach Portugal, dann nach Frankreich, wo er 1979 in Paris, unterstützt durch das Kulturministerium, sein erstes CTO, das Zentrum des Theater der Unterdrückten gründete. Er lehrte an der Sorbonne und anderen europäischen Universitäten. Inzwischen wird das Theater der Unterdrückten in vielen Ländern der Welt praktiziert, was seinen Namen weltweit bekannt gemacht hat.

1980 besuchte das Pariser Zentrum des Theater der Unterdrückten Rio de Janeiro, was langfristig zu Boals Rückkehr nach Brasilien führte. 1986 gründete er das CTO Rio und siedelte sich wieder fest in Brasilien an. Auf seiner unermüdlichen Suche nach neuen Ausdrucksformen wurde er zum Stadtrat / Senator2 von Rio de Janeiro gewählt und begann 1993 das Projekt des Legislativen Theater.

Die UNESCO würdigte 1994 seine Arbeit mit der „Pablo Picasso-Medaille“, neben vielen anderen Ehrungen bekamen er und Paulo Freire 1996 die Ehrendoktorwürde der Universität Nebraska. In Chicago bekam er gerade im Juli 1997 einen Life-Award zur Anerkennung seiner Arbeit, sein besonderer Stolz ist die Arbeit mit der Royal Shakespeare-Company im Sommer 1997.

Nach der Vollendung von 40 Jahren Theaterarbeit feiert er 25 Jahre des Theater der Unterdrückten, 10 Jahre des CTO RIO, vier Jahre Legislatives Theater und die Präsentation einer neuen Serie von Projekten mit dem Zentrum des Theater der Unterdrückten in Rio de Janeiro.

Seine Arbeiten am Theater waren in den letzten Jahren vor allem eine Inszenierung mit dem CTO Rio mit volkstümlichen Mitteln, eine Iphigenie in Paris, ein Hamlet ist in Großbritannien in Planung.

Das Legislative Theater

Legislatives Theater setzt den Aufbau von örtlichen Theatergruppen voraus, die in ForumTheater-Stücken von ihrem Alltagsproblem berichten und für klar definiertes Publikum spielen. Die Änderungsversuche des Publikums werden in Berichten festgehalten, die dann auf Möglichkeiten für politische, gesetzgebende oder rechtliche Aktionen untersucht werden.

Als Theaterleiter verwandelte Augusto Boal die Zuschauer in Schauspielende, als Stadtrat oder Senator verwandelt er die Wähler zu Gesetzgebenden. Seine Art der Amtsführung eröffnete eine neue Bühne des Theater der Unterdrückten: Das Legislative Theater.

Die Ziele seines Mandats waren die Demokratisierung der Politik durch Theater und die Entwicklung einer neuen Beziehung zwischen Gesetzgebenden und Bürgern. Die Gestaltung der Politik durch Theater war gleichzeitig Ziel, Thema und Erfüllung des Projekts.

Während der vier Jahre seines Mandats war das Team der „coringas“3 / Joker / Spielleiterinnen / Trainer in vielen Teilen der Stadt präsent und organisierte Gruppen nach ihrer Stadtteil-Identität oder ihren besonderen Themen.

Mit Ihnen entwickelte er Stücke über Alltagsprobleme, die auf öffentlichen Plätzen, Straßen, in Schulen, Krankenhäusern, Gemeindezentren etc. gespielt wurden. Wann immer ein Stück vorgestellt wurde, war das Publikum eingeladen, auf die Bühne zu kommen und die Hauptfigur zu ersetzen, um Lösungen für ihr Problem zu finden.

Die Versuche wurden aufgeschrieben und in Berichte verwandelt, die von Boals politisch-legislativem Team ausgewertet wurden. Nach der Analyse wurden die möglichen Lösungen in Projekte zur Erarbeitung eines neuen Gesetzes *1, in Änderungen existierender Vorschriften, zu Initiativen oder politischen Aktionen verwandelt.

Das Mandat regte Dialoge zwischen den Gruppen an, indem es Treffen organisierte, die gegenseitiges Verständnis erweckten und die „Knoten der Solidarität“ festigte. Alle zwei Monate wurden Festivals des Theater der Unterdrückten organisiert, die Theater und Gesetze auf den Plätzen der Stadt diskutierten.

Das Projekt brachte nicht nur die Probleme der Bewohner-kreise ins Rathaus, sondern auch das Geschehen in der „Kammer“ in die Außenwelt. So wurden nun Sitzungen als „Der Stadtrat auf den Plätzen“ organisiert. Dies waren legislative Diskussionen über Projekte, die im Stadtrat / Senat begannen und aktuell auf den öffentlichen Plätzen stattfanden. Auf diesem Weg konnten alle mit ihren Vorschlägen zur Meinungsbildung und Entscheidung Boals beitragen.

Legislatives Theater in Deutschland?

Zuerst ist es noch schwer vorstellbar, weil hierzulande eher alles zu sehr geregelt ist und wir uns sehr daran gewöhnt haben, uns von „Herrschaften“ PolitikerInnen regieren zu lassen. Aber ich sehe eine große Notwendigkeit:

Einerseits muss im Rahmen der Deregulierung1 auch für eine neue Abstimmung unter den Bürgern gesorgt werden, andererseits schwindet das Vertrauen in die Parteienpolitik mit deren Schwerfälligkeit und thematischen wie personalen Fixierungen.

Im derzeitigen Abbau des Sozialstaates und vor allem des Gemeinsinns durch die reichen und einflussreichen Schichten wird es immer mehr notwendig, dass die Bürger sich selbst organisieren und für neue Sozialstrukturen sorgen, die vom eigenen Bereich auch bis in das internationale Denken und solidarisches Handeln reichen.

Das Fachforum Eine Welt in der Münchner AGENDA 21 will in Kontakten und Zusammenarbeit dafür Projekte entwickeln, die vom solidarischen Lebensstil bis zur CO2-Reduzierung für Zukunft sorgen:

Dunkle Geschäfte wie Müllexporte und Altkleider-Vermarktung*2, Minenproduktion*3 und Waffenhandel geben sich in unserer Stadt zwar oft ein ehrbares Ansehen, sind aber an den Armuts- und Fluchtgründen beteiligt, die MigrantInnen auf eine Zukunft in unserem Land hoffen lassen.

Anmerkungen

  • Auf der Rathaus-Ebene würden diese Gesetze bei uns meist Verwaltungsvorschriften oder -Anweisungen heißen. (FL)
  • Die Geriatrie (Altersmedizin) ist auch bei uns noch ein sehr junger Zweig der Medizin, der auf die Besonderheiten der Behandlung im Alter besonders Rücksicht nimmt. (FL)
  • Die Hauben über den öffentlichen Telefonen, die an Gehwegen an Masten montiert sind, waren für Blinde nicht wahrnehmbar und ständiges Unfallrisiko(FL)
  • Deregulierung wird im Allgemeinen der Versuch genannt, die staatlichen Vorschriften zu reduzieren und die Möglichkeiten der Bürger und Unternehmen zu erweitern, im eigenen Ermessen zu handeln.
  • dazu hat ein Runder Tisch im Rathaus neue Konventionen entwickelt.
  • Die Mercedes-Tochter Aerospace qualifiziert und verschleiert zwar ihre Minenproduktion, läßt aber trotzdem in Schrobenhausen die tödlichen Waffen weiterproduzieren. 60% der westdeutschen Rüstungsproduktion sitzt in und um München.
entwicklungsdienst_theater-_methoden.txt · Zuletzt geändert: 2021/02/11 19:34 von fritz