Entwurf für eine internationale Fachkonferenz 23.-27. Okt '97 in München Theaterpädagogik und Empowerment Internationale Fach-Konferenz zur befreienden Theaterpädagogik: On the way to Legislative Theatre: Workshop mit Augusto Boal war die Basis: http://www.joker-netz.de/entwurf (links dort sind tot!)
…ist mit den Methoden um das Forumtheater nicht nur ein neuer Weg im Theater und in der Theaterpädagogik beschritten worden, sondern auch in der politischen Antizipation eine Verbindung von befreiender Pädagogik und den verschiedenen Formen gemeinschaftlicher bis gesellschaftlicher Organisation wie Community Organizing skizziert.
Typischerweise stößt die Idee des Legislativen Theaters hierzulande auf heftige Skepsis: Sind wir doch vollauf damit beschäftigt, die Blockaden in der „besten aller Demokratien“ zu begreifen, können wir nicht gleichzeitig an andere Modelle denken, noch dazu, wenn sie als gefährlich Marxismus-verdächtige Kritische Theorie aus dem wilden Süden kommen.
Die dortigen größeren Aufgaben haben auch andere Kräfte wachsen lassen, zwischen Elend und den Resten der Militärdiktatur, irrsinnigen Zinszahlungen an die Weltbank und eruptiver Entwicklung neue Formen der Selbstorganisation und der politischen Mitwirkung zu finden.
mit dem Angebot der Gruppe um Augusto Boal an die PT (Arbeiterpartei) in Rio de Janeiro, 1991 ihren Wahlkampf zu gestalten, wenn diese im Gegenzug später für Räume und Finanzierung der Grundlagen der Theaterarbeit eintreten würde. Der Zustimmung folgte die Bitte, auch einen Kandidaten für die Wahl zum Senat zu benennen, die zuerst nicht so ganz ernst genommen wurde, da Wahlkampf in Rio dem Karneval verwandt ist und etwa 1200 Bewerber (Anmerkung 1) für 42 Plätze kandidieren.
Da die Presse auf die neuen politischen Formen heftig reagierte und Augusto das Motto gewählt hatte: Es braucht Mut, glücklich zu sein, zeichnete sich doch bald ab, dass Augusto Chancen für das Amt eines Vereador hat und seine gesamte Gruppe als MitarbeiterInnen einstellen kann.
Der Stab wird mit einigen Fachfrauen zur Verwaltung, zu Recht und Organisation erweitert, und bald spielen mehr als zwanzig Gruppen in der 7-Millionenstadt nicht nur ihre eigenen Themen und die der aktuellen Rathauspolitik, sondern auch die ihrer Umgebung und des Publikums auf den Straßen und Plätzen der Stadt. Dabei wird immer nach dem gleichen Muster gearbeitet:
Für FORUMTHEATER bereiten wir mit den Teilnehmenden eine kurze Spielszene vor, in der „ein Held, eine Heldin„ exemplarisch scheitert: Dem Publikum bleibt vorbehalten, Lösungen für das Problem durch Übernahme der Hauptrolle zu finden.
Auf dieser brechtischen Grundlage, nach der Theater immer der Veränderung dient, werden die Versuche und Vorschläge des Publikums protokolliert und ins Rathaus zur Auswertung und Aufbereitung gegeben, zu Eingaben verarbeitet und weiter diskutiert.
Neben der Einbeziehung der interessierten Mitspielenden kommt eine Auseinandersetzung in Gang, die nicht nur zwischen den Gruppen in Fiestas vertieft wird, sondern auch fachlich alle Ebenen der Verwaltung ergreift: Nach dem behindertengerechten Umbau der vorher für Blinde gefährlichen Telefonzellen wurde ein Gesetz zum Zeugenschutz auf den Weg gebracht, um überhaupt Verbrechen verfolgen zu können, auf den verschiedensten Ebenen Umweltschutz entwickelt und Altenmedizin eingerichtet.
Die Legislaturperiode endete Dezember 1996, die Gruppe um Augusto will jetzt, nachdem die PT in einigen anderen Städten auch BürgermeisterInnen stellt, diesen anbieten, mit dem Legislativen Theater zu arbeiten.
sind hierzulande oft nur die ersten Methoden bekannt, wie sie auch im suhrkamp- Büchlein (Anmerkung 2) beschrieben sind:
Das STATUENTHEATER kann den Blick schärfen: Wo haben wir Druck, woher kommt er, wo gebe ich nach? Der Blick für den Körper löst ein Tabu unserer Kultur.
FORUMTHEATER holt die Antwort für eine Problematik aus dem Publikum: Es kann eine Szene, die von einer Gruppe mit schlechtem Ausgang vorgestellt wird, anders zu Ende zu spielen, indem jemand in die Rolle der Unterdrückten einsteigt.
Das UNSICHTBARE THEATER stammt aus der Zeit der Zensur: Was ist bei uns so verboten und tabu, daß wir es mit einer öffentlichen Szene erproben sollten, von der niemand erfährt, daá es Theater war? In der Aktionsforschung findet es heute adäquate Anwendung.
Der POLIZIST IM KOPF und der REGENBOGEN DER WÜNSCHE sind hilfreiche Techniken, unsere Gedanken zu ordnen und den Blick auf die Wirklichkeit mit den Augen der Anderen zu üben. * augusto boal: the rainbow of desire, the boal method of theatre and therapy, routledge london und new york 1995
Leider sind diese Techniken hierzulande noch nicht sehr verbreitet, da in der allgemeinen Bildungsarbeit dafür meist zu wenig Zeit eingesetzt wird.
reicht die Palette der Anwendungen auch hierzulande: Vor allem in der politischen Bildung, aber auch in der Aus- und Fortbildung bei SozialpädagogInnen sind die Methoden an vielen Hochschulen bereits Standard, wogegen die direkte Anwendung in politischen Aktionsgruppen mangels konzentrierter längerer Entwicklungsarbeit zurückgegangen ist.
Neue Bedeutung könnte den bewußtseinsbildenden Faktoren zukommen, wenn Grundlagen für längerfristig arbeitende Theatergruppen auch auf beruflicher Ebene geschaffen werden könnten, die Auftragsarbeiten wie Aids-, Gewalt- und Suchtprävention, Konfliktbearbeitung und Bürgerbeteiligung professionell übernehmen. Bislang sind die innovationsbereiten Einrichtungen meist nicht mit den Finanzen gesegnet … und umgekehrt.
http://www.joker-netz.de/entwurf geht dann noch viel weiter:
Vorstellung Gesamt-Konzept und Kollegium, Vortrag Augusto Boal
in Zusammenarbeit u.a. mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München und der Offenen Akademie der Volkshochschule München im Rahmen der Lateinamerikawochen. In der Schilderung des Entstehens der Methoden des Theater der Unterdrückten wird schon anschaulich, was diese im südamerikanischen Kontext bedeuten: Weit ursprünglichere Mitwirkung, aber auch klare Forderungen in der politischen Auseinandersetzung: Tiefe und Präsenz, wie sie im lebensweltlichen Ansatz des Pädagogen-Freundes Paulo Freire auch aus dem Publikum ermöglicht wird.
in Zusammenarbeit u.a. mit den BürgermeisterInnen und den politischen Parteien (angefragt). Auch wenn wir nicht gleich ins Rathaus einziehen werden (oder vielleicht probeweise mit dieser Veranstaltung?), ist es auch hier möglich, die Themen und Probleme der Bevölkerung in Beispielen und Szenen sichtbar zu machen. Die Lösungsvorschläge für die Situationen, die hoffentlich die jeweilige Sache auf den Punkt bringen, erwarten wir dann vom Publikum.
Eine Gruppe von Teilnehmenden wird kurze Stücke mit Augusto Boal erarbeiten, die der Öffentlichkeit, der Presse, den BürgermeisterInnen und den Stadträten zur Veränderung vorgestellt werden.
Bericht von Augusto Boal im Buch Legislatives Theater in english bei Routledge London: Symbolism in Munich
Einbettung:https://fritzl.blogspot.com/2020/12/legislatives-theater-in-europaischen.html